Inspirierende Metropole: Wien, die Stadt der Ideen
Richard Cockett, renommierter Historiker, Journalist (The Economist) und Autor aus Großbritannien, hat mit "Vienna – How the City of Ideas Created the Modern World" ein ganzes Buch über bahnbrechende Innovationen aus Wien geschrieben. Cockett thematisiert Ideen, die der westlichen Welt bis heute ihren Stempel aufgedrückt haben. Seine These: Wien ist eine wichtige Wiege der modernen Welt.
Intellektuelle Glanzleistungen aus Wien
Dieses Wiener Fortschrittsdenken betrifft die Bereiche Wirtschaft und Werbung ebenso wie Architektur, Philosophie und Medizin, aber auch die Betrachtung von Sexualität und die visuelle Wissensvermittlung wurden von brillanten Köpfen aus Wien stark vorangetrieben. Cockett thematisiert in seinem Buch den Zeitraum von 1900 bis knapp vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges. Er bietet damit eine Sammlung an intellektuellen Leistungen mit Wiener Hintergrund, die um den Globus gingen.
Von Fußgängerzonen bis zur Managementlehre
Sigmund Freuds Psychoanalyse, die die Welt der Psychologie umgekrempelt hat, zählt zu den berühmtesten und einflussreichsten Innovationen aus Wien, die Cockett unter die Lupe nimmt. Doch es ist die Fülle und Bandbreite an Wiener Ideen, die in diesem 400 Seiten starken Werk beeindruckt.
So gilt der Wiener Victor Gruen als Vater der modernen Einkaufszentren und Fußgängerzonen. Die Erfindung der Markt- und Motivforschung sowie die moderne Managementlehre stehen ebenso in starker Verbindung zu Wien. Und vor allem die moderne Medizin ist untrennbar mit Wien verbunden. Nur ein kleiner Auszug aus Cocketts Sammlung spricht Bände hinsichtlich des Kreativ-Hotspots Wien:
- Psychoanalyse (Sigmund Freud)
- Entdeckung der Blutgruppen (Karl Landsteiner)
- Analytische Sprachphilosophie (Ludwig Wittgenstein)
- Moderne Einkaufszentren und Fußgängerzonen (Victor Gruen)
- Markt- und Motivforschung (Herta Herzog und Ernest Dichter)
- Spieltheorie (Oskar Morgenstern)
- Kritischer Rationalismus (Karl Popper)
- Moderne Managementlehre (Peter Drucker)
- Bildstatistik (Otto Neurath)
- Einbauküche (Margarete Schütte-Lihotzky)
- Moderne Sozialforschung (Paul Lazarsfeld und Maria Jahoda)
- Verhaltensforschung (Konrad Lorenz)
- Sexualhormonforschung (Eugen Steinach)
- Moderne Architektur (Richard Neutra)
Doch auch die Errungenschaften der Ära des Roten Wien (1919 bis 1934), in der politische Utopie zur gelebten Realität wurde, thematisiert Cockett ausführlich. In dieser Zeit erblühte der soziale Wohnbau. In Wien wurden 400 Gemeindebauten errichtet und tiefgreifende Reformen vom Bildungs- über den Sozial- bis zum Gesundheitsbereich umgesetzt. Eine Reformära, die heute noch international stark diskutiert wird.
Vertreibung der geistigen Elite
Dass sich die Ideen aus Wien global verbreiteten, hat auch einen tragischen Hintergrund: Nach der Machtergreifung durch das Naziregime wurden jüdische Intellektuelle, die oftmals hinter diesen Ideen standen, gezielt aus Österreich in alle Welt vertrieben, was einen Kahlschlag in vielen wissenschaftlichen Disziplinen zur Folge hatte. Das geistige Leben erholte sich nach dem Zweiten Weltkrieg nur langsam.
Aktuelle Nobelpreise mit Wiener Hintergrund
Doch gerade in den vergangenen Jahren ließ der Wissenschaftsstandort Wien stark aufhorchen. Der österreichische Quantenphysiker Anton Zeilinger, der an der Technischen Universität Wien (TU Wien) habilitiert hat und später Universitätsprofessor bzw. Vorstand des Instituts für Experimentalphysik an der Universität Wien war, erhielt 2022 den Nobelpreis für Physik für seine Forschungen im Bereich der Quantenphysik.
2023 erhielt der österreichisch-ungarische Physiker Ferenc Kraus ebenso den Nobelpreis für Physik. Kraus, der seit 2004 Direktor am Max-Planck-Institut für Quantenoptik in München ist, absolvierte wie Zeilinger die TU Wien und wirkte dort lange Jahre als Professor für Elektrotechnik. Wesentliche Grundlagen für seine nobelpreisgekrönten Forschungen im Bereich der Attosekundenphysik sind in Wien entstanden.
Wichtiger europäischer Hochschulstandort
Wien gehört heute zu den führenden Universitätsstädten in Europa. Der Hochschulstandort zählt rund 200.000 Studierende und hat eine bemerkenswert lange Tradition. Die größte Uni Wiens, die Universität Wien, existiert seit 1365. Mittlerweile können in ganz Wien rund 180 Studienzweige belegt werden.
Neben der Universität Wien zählen die Technische Universität Wien, die Medizinische Universität, die mdw (Universität für Musik und darstellende Kunst Wien), der Campus der Wirtschaftsuniversität Wien, die Universität für Bodenkultur (Boku), die Veterinärmedizinische Universität sowie die Universität für angewandte Kunst und die Akademie der bildenden Künste zu den wichtigen Hochschuleinrichtungen. Aber auch Privatuniversitäten wie die Central European University (CEU) und die Sigmund Freud Privatuniversität beleben neben unzähligen Fachhochschulen die Wiener Bildungslandschaft.
Wien, Stadt der Forschung
Wien ist heute auch ein wichtiger Ort, was Forschung und Entwicklung betrifft. Die Forschungsquote beträgt 3,65 Prozent – ein Spitzenwert in Europa. Der Anteil der Beschäftigten im Forschungs- und Entwicklungsbereich ist besonders hoch. Wien belegt hier europaweit Platz drei. In den letzten 15 Jahren hat sich die Anzahl an Unternehmen im Forschungsbereich verdoppelt.
Das Wien von Sigmund Freud entdecken
Wenn Sie tief in Wiens wissenschaftliche Historie eintauchen wollen, dann haben Sie in Form des "Sigmund Freud Audio Guide" eine besondere Gelegenheit. Der Audio Guide ist Teil der offiziellen City Guide App ivie. Es warten neun Wiener Orte, die eng mit dem Begründer der Psychoanalyse verbunden sind. Die Geburtsorte der Psychoanalyse und der Traumdeutung sind ebenso dabei wie Freuds Lieblingskaffeehaus und jenes Stadtviertel, in dem er aufgewachsen ist. Von der Innenstadt über das Karmeliterviertel bis rauf in Wiens Weinberge.